Die folgende Definition kommt der Frage was Stress ist schon nahe:
Stress ist die negative körperliche und mentale Reaktion auf eine anspruchsvolle oder bedrohliche Situation.
Das Problem dieser Definition ist jedoch, dass Stress nicht immer das Ergebnis einer schlechten Situation ist. Viele Menschen reagieren nicht immer negativ auf ein unangenehmes Ereignis, denn Druck kann sich auch in Inspiration und Motivation umwandeln. Noch komplizierter wird es, wenn man bedenkt, dass eine identisch stressige Situation eine Person mental komplett über Bord werfen kann, während eine andere Person sie locker wegsteckt.
Laut der oben genannten Definition hat Stress körperliche und mentale Folgen. Viele Betroffene können jedoch bestätigen, dass Stress sich auch erheblich auf Sozial-, Kultur- und Verhaltensaspekte auswirkt. Der Begriff “Stress” wird zudem übergreifend für Anspannung und Druck verwendet. Chronischer Schmerz, der sich aufgrund einer Erkrankung über Jahre hinstreckt, fühlt sich jedoch anders an, als eine Nahtoderfahrung, die binnen weniger Minuten wieder vorbei ist.
Stress kann man nicht verallgemeinern; dafür gibt es zu viele dynamische Reaktionen einzelner Menschen, die grundunterschiedlich auf komplexe Veränderungen und Bedrohungen reagieren.
Arten von Stress
Falls du an Stress leidest und etwas dagegen unternehmen möchtest, ist es zunächst wichtig, die diversen Arten von Stress unterscheiden zu können. Wir geben dir einen Überblick über die häufigsten Typen.
Eustress nennt man nützlichen oder „guten Stress“, der inspiriert und motiviert. Er kann auch bei positiven, aber dennoch lebensverändernden Ereignissen eintreten, wie zum Beispiel bei einer Beförderung oder einem Umzug.
Distress hingegen bezeichnet man Stress, der mit negativen Emotionen verbunden ist und deiner körperlichen und mentalen Gesundheit schaden kann, wie zum Beispiel bei einer Scheidung, Arbeitslosigkeit oder Krankheit.
Akuter Stress tritt ein, wenn du starken Stresssymptomen ausgesetzt bist, die zwar zeitlich befristet, aber äußerst intensiv sind. Meistens tritt akuter Stress bei plötzlichen und unerwarteten lebensverändernden oder gar -bedrohlichen Situationen ein, wie bei einer heftigen Auseinandersetzung oder einem Autounfall. Der Körper reagiert biochemisch, indem er durch das Ausstoßen von Adrenalin deinen Körper in den Überlebensmodus schaltet.
Chronischer Stress ist weniger intensiv, aber langfristig. Er zeichnet sich durch nagende Sorgen und Ängste aus, die durch alltägliche Situation, wie Stress bei der Arbeit, Beziehungsprobleme und Rechnungen ausgelöst werden. Viele akzeptieren chronischen Stress als “normal”, unterschätzen dabei jedoch die langfristigen negativen Folgen auf den Körper.
Stresswahrnehmung
Jeder Mensch ist anders, weswegen Stress sehr subjektiv ist. Individuelle Ansichten, Erfahrungen, Werte, Stärken, Schwächen, Veranlagungen, Hintergründe und Vorurteile tragen dazu bei, dass wir alle Stress unterschiedlich wahrnehmen und mit ihm umgehen. Ein ähnliches Ereignis kann für den einen verstörend sein, während ein anderer kaum eine Veränderung wahrnimmt.
Stress wirkt sich also nicht nur äußerlich aus, sondern wird auch innerlich von jedem anders verarbeitet. Und das Zusammenspiel beider Auswirkungen ist ebenfalls individuell.
Die Phasen der Stressreaktion
In seinem viel zitierten Buch Stress. Bewältigung und Lebensgewinn aus dem Jahre 1974 stellt der kanadische Endokrinologe Hans Selye die generelle Theorie vor, warum die Reaktion auf Stress von dessen Intensität und Dauer abhängig ist. Selye beschreibt in seinem Modell, das Stress eine unspezifische Reaktion des Körpers auf negative oder positive Reize ist, die sich entsprechend negativ oder positiv auswirken können.
Selye hat drei verschiedene Stressreaktionen genauer definiert:
Phase 1: Alarmreaktion
In der ersten Phase schlägt der Körper Alarm und aktiviert seine Ressourcen und Abwehrmechanismen. Diese biochemische Reaktion (= Hormonausschuss) führt zu einer physiologischen Reaktion, wie Herzrasen, Schwitzen oder Hyperventilieren, die wiederum zu mentalen und kognitiven Reaktionen führt, wie Angst, Panik oder Kopfkino.
Phase 2: Widerstandsphase
In dieser Phase wehrt sich der Körper und passt sich der Alarmreaktion an. Diese Anpassung hängt von den körperlichen und mentalen Ressourcen eines Menschen als auch dem Stressfaktor ab. Anfangs kann der Körper seine Ressourcen regulieren und sich der Situation anpassen. Mit der Zeit werden diese Ressourcen jedoch nach und nach aufgebraucht. Wenn Stress weiterhin besteht, kann körperlicher Verschleiß einsetzen.
Phase 3: Erschöpfungsphase
Lange anhaltender Stress wird letztendlich zur Erschöpfungsphase führen. Alle Ressourcen wurden restlos aufgebraucht und der Körper bricht zusammen. Diese Phase wird allerdings höchst selten erreicht.
Alles beginnt mit der HPA-Achse
Stress ist ein natürlicher und unvermeidbarer Teil des Lebens. Die Fähigkeit, schnell auf Stress zu reagieren ist ein ausgeklügeltes biochemisches System deines Körpers, das sich über tausende Jahre entwickelt hat, um dich vor Gefahren zu schützen. Die HPA-Achse, auch Stressachse genannt, bildet den physiologischen Teil dieser Stressreaktion.
Der Hypothalamus, der Teil deines Gehirns ist, wird oft als „Dirigent“, bezeichnet, da er für Stressreaktionen verantwortlich ist. Er sendet eine chemische Nachricht zur Hirnanhangsdrüse, die die Nebenniere zur Ausschüttung von Stresshormonen, wie Cortisol, stimuliert.
Diese Stresshormone strömen durch deinen Körper und wirken sich auf die unterschiedlichsten Funktionen aus, wie deinen Herzschlag und deine Muskelspannung. Dein autonomes Nervensystem reagiert auf diesen Hormonausschuss mit einer Reihe von Symptomen, den sogenannten wohlwollenden Reaktionen. Somit wird dein Körper auf „überleben” geschaltet und verbessert deine Chancen im Falle eines Notfalls. Pupillen erweitern sich, Muskeln werden angespannt und es kommt zu Schweißausbrüchen. Sobald der Stress nachlässt, fährt ein gesundes HPA-System den Körper wieder herunter und stellt ein ruhiges körperliches und mentales Gleichgewicht her.
Diese Reaktion ist das Ergebnis jahrtausendelanger Evolution, um blitzschnell auf plötzliche und zeitliche begrenzte körperliche Gefahren zu reagieren. Heutzutage sind wir diesen Gefahren nur noch äußerst selten ausgesetzt. Stress hat eine langanhaltende und abstrakte Form angenommen. Eine traurige Fernsehsendung ist für dich zwar nicht lebensbedrohlich; dennoch reagiert dein Körper biochemisch genau so, als ob er sich in der abgebildeten Lage befinden würde. Bei anhaltendem Stress wird die Funktion der HPA-Achse gestört. Stresshormone werden unkontrolliert ausgeschüttet, wodurch ein chronisches Unwohlsein einsetzen kann. Was einst entwickelt wurde, um dich zu schützen, kann deine Gesundheit auf Dauer ins Wanken bringen.
Selye’s Phasen zufolge kann anhaltender Stress den Körper schnell durch die Anpassungsphase zur Erschöpfungsphase drängen, wo deine körperlichen und mentalen Ressourcen aufgebraucht werden. Ein Zustand von verstärkter physiologischer Anspannung, der länger anhält, als zum Überleben notwendig, kann ernste Folgen haben. Anders ausgedrückt wird sich akuter Stress zu chronischem Stress entwickeln und Eustress zu Distress.
So wirkt sich anhaltender Stress aus
Anhaltender Stress kann langwierige Folgen auf deine körperliche und mentale Gesundheit haben. Du kannst diese Folgen zwar lindern, musst dafür jedoch viel Zeit und Willenskraft investieren. Vorsorge ist daher die beste Medizin. Schauen wir uns die Effekte etwas genauer an.
Auswirkungen auf den Körper
Cortisol, das primäre Stresshormon, kann dich hyperventilieren lassen, deinen Blutdruck anheben und deine Gefäße verengen, wodurch bereits vorkommenden Herz- und Atembeschwerden verschlimmert werden können.
Chronischer Stress kann deinen Blutzucker ins Ungleichgewicht stoßen und so dein Risiko, Typ-2-Diabetes zu entwickeln, erhöhen. Auch die Magensäureproduktion kann gestört werden, was zu saurem Rückfluss, Verdauungsstörungen, Durchfall, Verstopfung und Magenschmerzen führen kann.
Chronisch verspannte Muskeln können zu körperlichen Fehlausrichtungen führen, Spannungskopfschmerzen und allgemeine Schmerzen verursachen sowie das Verletzungsrisiko erhöhen.
Chronischer Stress kann bei Männern das Testosteronlevel verringern, bei Frauen den Menstruationszyklus stören und bei beiden zu Libido- und Fruchtbarkeitsverlust führen.
Um mit einer Infektion oder Verletzung besser umgehen zu können, aktiviert Stress das Immunsystem. Das hört sich zwar erstmal gut an, doch Studien zufolge kann eine anhaltende Stimulierung die Immunantwort schwächen und Abwehr gegen Krankheitserreger außer Gefecht setzen. Das bedeutet, dass du öfter krank wirst.
Anhaltender Stress macht es deinem Körper zudem schwer, sich vollkommen zu entspannen und sich auf einen erholenden Schlaf einzulassen. Das Ergebnis: Stimmungsschwankungen, eine verschlechterte körperliche Ausdauer und ein gestörtes Immunsystem.
Auswirkungen auf kognitive Funktionen, Emotionen und Verhalten
Stresshormone können dein Erinnerungs- und Urteilsvermögen sowie deine Konzentration enorm beeinträchtigen. Ständiges Sorgen und ängstliche Gedanken wirken sich negativ auf deine Wahrnehmung aus, wodurch du dich zum Pessimisten entwickeln kannst.
Es ist ganz natürlich, dass unsere Gedanken unsere Gefühle beeinflussen. Anhaltende Sorgen und Ängste führen deswegen zu getrübter Stimmung, Reizbarkeit, Einsamkeit und Depressionen, wodurch du dich ständig überwältigt und nervös fühlst.
Jeder Mensch reagiert anders auf Stress. Manche essen zu viel, andere zu wenig. Koffein, Alkohol und Zucker werden in erhöhtem Maße konsumiert. Schlaf wird sekundär und unregelmäßig. Auch die Körperpflege kann nachlassen, Prokrastination einsetzen und es können sich schlechte Angewohnheiten, wie Nägelkauen, entwickeln. Mit der Zeit können auch verschiedenen Formen von Selbstisolierung vorkommen.
Stresssymptome treten oft gebündelt auf und sind daher oftmals gleichermaßen Ursache und Auswirkung. So können sich Teufelskreise entwickeln, z.B. führen ungesunde Lebensstile dazu, schlecht mit Stress umgehen zu können, was wiederum zu weiteren ungesunden Lebensstilen führt. Zudem gibt es Krankheiten, die zwar durch Stress ausgelöst werden, im Endeffekt jedoch noch mehr Stress verursachen.