Es beginnt meistens praktisch aus dem Nichts. Vielleicht fühlst du dich etwas unsicher, Nacken und Schultern sind verspannt und plötzlich wird dein Atem schneller. Oder vielleicht hast du Angst vor der Angst? Machst dir Sorgen, dass du dir zu viele Sorgen machen wirst? Dein Magen dreht sich herum und ehe du dich versiehst, läuft in deinem Kopfkino ein Horror- oder Dramafilm nach dem anderen.
Panikattacken sind absolut beängstigend. Oftmals verlierst du komplett die Kontrolle und kannst dich nur schwer wieder beruhigen. Das Positive in dieser dunklen Zeit ist: Du kannst lernen, deine Gefühle zu kontrollieren, bevor sich eine Angststörung entwickelt. Die 5-4-3-2-1-Übung ist eine beliebte Methode, da sie so einfach ist.
Aus dem Hier und Jetzt gerissen
Vielleicht tröstet es dich auch zu wissen, dass du mit deinen Angstzuständen nicht allein bist. Jeder hatte schon mal beklemmende Gedanken, die einen noch um 3 Uhr nachts hellwach halten. Oder eine:n Chef:in, der/die darauf wartet, eine überfüllte Liste an Aufgaben abzuarbeiten. Doch egal was die Ursache deiner Angst ist, Panikattacken haben eins gemeinsam: Sie reißen dich aus dem Hier und Jetzt.
Sobald Sorgen, Stress und Panik das Kommando übernehmen, laufen deine Gedanken im Kreis. Und dein Gehirn trägt seinen Teil dazu bei. Denn obwohl es dich an normalen Tag mit positiven Gedanken durch den Tag begleitet und dir hilft, Entscheidungen zu treffen, kann es dich bei einer Panikattacke schonmal in den Wahnsinn treiben. Gepaart mit deiner Einbildungskraft wirst du Opfer von einer schier unendlichen Anzahl an „Was-wäre-wenn?“-Szenarios; eine dramatischer als die andere. Doch dieser Zug nach Nirgendwo hat nur zwei Passagiere: Die Vergangenheit und die Zukunft – die Gegenwart ist schon längst ausgestiegen.
Um gegen diese negative Gedankenketten anzugehen, gibt es einige Wege: Medikamente, Therapie oder Achtsamkeitsübungen, wie Yoga. Alle müssen jedoch erstmal in die Wege geleitet werden. Die 5-4-3-2-1-Methode kannst du jedoch ohne Lernen oder Vorbereitung anwenden; gleich jetzt, gleich hier.
Dein Körper lebt im Jetzt
„Was, wenn es nicht schaffe und sich jeder über mich lustig macht?“
„Ich kann das nicht; ich hab zu viel Angst!“
„Hätte ich das nur nicht gemacht…!“
Kommen dir diese Gedanken bekannt vor? Sie können dir sicher ganz schön Angst einjagen und dich an deiner Welt zweifeln lassen. Doch bevor dein Kopfkino Popcorn in die Mikrowelle legt, solltest du eins beachten: Diese Gedanken sind nur elektrochemische Hirngespinste. Hirngespinste, die die Gegenwart ausgrenzen, Reue aus der Vergangenheit wieder zum Leben erweckt oder mögliche Zukunftsängste erfindet. Der beste Weg, wieder Boden unter den Füßen zu fassen, ist, sich ganz dem Hier und Jetzt zu widmen. So kannst du deine emotionale Gesundheit stärken.
Der einzige Weg, wieder in die Gegenwart zurück zu kommen, ist durch deinen Körper.
Anders als deine Gedanken können dein Körper und Atem sich nur in einer Zeitebene aufhalten: im Jetzt.
Der einfachste Weg, beklemmende Gedanken loszuwerden und dich wieder auf den Moment zu konzentrieren ist, dich auf deine fünf Sinne zu fokussieren. Deswegen ist die 5-4-3-2-1-Methode nicht nur einfach, sondern auch besonders effektiv.
Wie du dich mit der 5-4-3-2-1-Übung im Jetzt verankerst
Die 5-4-3-2-1-Methode ist eine einfache Technik mit großer Wirkung. Stell sie dir wie einen Anker vor, der fest im Boden steckt, um dein Boot nicht von der Strömung mitreißen zu lassen. Doch wie funktioniert diese Methode?
Bevor du dich gleich dem ersten Schritt widmest, solltest du dich auf deinen Atem konzentrieren. Dein Atem ist im Hier und Jetzt; also da, wo auch du sein solltest. Spüre, wie deine Lungen sich beim Einatmen frischer Luft sanft anheben und beim Ausatmen wieder senken. Atme ein paar Mal tief ein und aus und lenke deine Aufmerksamkeit nacheinander auf:
- 5 Dinge, die du sehen kannst: Wo bist du? Was siehst du? Die Form deiner Fingernägel, die Maserung in dem Holztisch oder das tiefe saftige Grün deiner Zimmerpflanze. Vielleicht tröpfelt Regen an deiner Fensterscheibe herunter oder die Sonne zaubert einen schönen Schatten auf deine Wand. Nimm dir Zeit und beobachte so viel du kannst so genau wie möglich.
- 4 Dinge, die du anfassen kannst: Texturen zu erleben ist ein weiterer Weg, dich zurück in die Gegenwart zu bringen. Jeder Gegenstand fühlt sich anders an. Deine Kleidung liegt flach auf deinem Körper auf und fühlt sich weich an. Das Glas in deiner Hand hat feine Noppen als Zierde und ist noch warm von dem Tee, den du dir gemacht hast. Das Leder deiner Armaturen im Auto fühlt sich grob, aber dennoch weich an. Du kannst dir auch einfach der Schwerkraft bewusstwerden und wie sich verschiedene Teile deines Körpers anfühlen, die auf einem Stuhl oder Matratze aufliegen.
- 3 Dinge, die du hören kannst: Geräusche sind ebenfalls im Hier und Jetzt. Du wirst niemals im Stande sein, die Zukunft zu hören und auch Audio, das in der Vergangenheit aufgenommen wurde, kann nur genau im Jetzt abgespielt werden. Also – was hörst du? Brummen draußen Autos vorbei? Zwitschern Vögel fröhlich vor sich hin? Läuft deine Waschmaschine? Kannst du deine Nachbarn hören? Konzentriere dich auf die verschiedenen Klänge in und um deinen Raum.
- 2 Dinge, die du riechen kannst: Zwar gewöhnt man sich schnell an den Geruch eines Raums, aber dennoch solltest du ein paar Gerüche finden können, die sich abheben. Vielleicht hast du gerade Kaffee gekocht oder der Geruch von frischen Plätzchen strömt durch dein Haus. Dein Oberteil riecht wie frisch gewaschen und deine Lavendel-Handcreme zaubert dir ein Lächeln auf’s Gesicht. Sicher kannst du verschiedene Gerüche wahrnehmen.
- 1 Sache, die du schmecken kannst: Was schmeckst du genau jetzt? Welcher Geschmack ist in deinem Mund? Vielleicht die Tasse Kaffee, die du eben getrunken hast? Oder erfrischt dir deine Zahnpasta noch den Atem?
Das Schöne an dieser Übung ist, dass du sie jederzeit anwenden kannst. Alles, was du dafür brauchst sind du und dein Körper. Wichtig ist, dass du dir, sobald du dich besser fühlst, über deinen Fortschritt bewusst wirst und dankbar bist.
Egal, wie weit dein Geist wandert, die Gegenwart ist immer genau hier und wartet darauf, dass du und dein Geist wieder von eurer Reise zurückkehrt. Mit der 5-4-3-2-1-Übung kannst du die mentale Energie, die du in Panikattacken steckst, ins Jetzt umleiten. Und das sehr effektiv! Stell dir nur mal vor, wie die gut es dir gehen würde, wenn deine starke Panik ein Glücksgefühl wäre. Mit diesem Gedanken kannst du bereits Stress abschütteln und dich wieder besser auf den Moment einlassen.
So kannst du Schlafstörungen, Heißhunger, Verlangen oder gar Suchterkrankungen, Stress und posttraumatischen Belastungsstörungen den Kampf ansagen – und ihn gewinnen! Also: Sobald dein Geist in die Zukunft oder Vergangenheit abschweift, kannst du ihn mit der 5-4-3-2-1-Technik wieder zurück in die Realität holen. Deine Panik verliert so an Kraft und lässt dich entspannt im Jetzt sein. Stressbewältigungstechniken sind ideal, um mental gesund zu bleiben.
Mehr lesen: Wir können uns unseren Ängsten stellen. Neurowissenschaftler Dr. Karolien Notebaert erklärt, wie du dein Gehirn veränderst, um mutiger zu werden.
Ein gesunder Verstand ist ein effektiver Verstand
Achtsamkeitsübungen sind zweifellos ein schneller Weg, um akute Panikzustände zu lindern. Dennoch werden sich deine Probleme dadurch nicht über Nacht in Luft auflösen. Aber mit wenn du regelmäßig an deiner inneren Ruhe arbeitest und deinen Geist im Gleichgewicht hältst, kannst du dich allen Herausforderungen, die das Leben mit sich bringt, besser stellen; und das mit einem ruhigen Verstand, nicht sich anbahnender Panik.
Es gibt etliche wissenschaftliche Studien, die belegen, dass das Gehirn im entspannten Zustand besser arbeitet. Das limbische System, also der Teil deines Gehirns, der für Emotionen verantwortlich ist, verhält sich wie ein Verteiler für Informationen. Wenn dein Gehirn im gestressten Zustand neue Informationen aufnimmt, leitet das limbische System diese an deinen sogenannten „Monkey Mind“ weiter, der größtenteils reaktiv und unbewusst reagiert. Bist du entspannt und ruhig, werden die Informationen an den Hippocampus und das Amygdala weitergeleitet; beides Teile deines Gehirns, die rational und ruhig reagieren. Wenn du auch in Stresssituation ruhig und klar denken möchtest, solltest du dich erst in einen entspannten und gelassen Gemütszustand begeben.
Die 5-4-3-2-1-Übung ist deswegen nicht nur ideal, um deinen hyperaktiven Geist zu beruhigen. Langfristig wirst du merken, dass dein Körper wesentlich entspannter ist und Stress nach du nach abgebaut wird. Mit einem klaren Verstand wirst du ebenfalls merken, dass deine Ängste und Sorgen nicht der Realität entsprechen, sondern auf einem Gerüst von Lügen und Phantasien aufgebaut sind, die du dir selbst erzählst. Wie du dem entgehen kannst? Bleibe mit deinen Gedanken im Hier und Jetzt. Mit einem entspannten Verstand haben Sorgen und Ängste keine Chance, sich breitzumachen.
Die 5-4-3-2-1-Übung: Die Geheimwaffe gegen Angst- und Panikattacken?
Achtsamkeit ist das A und O bei dieser Technik. Der simple Übergang in einen aktiven Bewusstseinszustand hilft dir dabei zu realisieren, dass deine Sorgen nur selten so schlimm sind, wie du sie dir vorstellst. Lerne, deine Sinne zu schätzen und das unkomplizierte Sosein um dich herum wahrzunehmen und zu akzeptieren. Ist es nicht beruhigend zu wissen, dass der jetzige Moment genau so sein soll, wie er ist? Nicht gestresst, nicht zu spät – sondern genau richtig? Und das wieder und wieder und wieder.
Um so schöner ist es, jeden Moment zu genießen, auch wenn du nicht gerade mit einer Panikattacke kämpfst. Gebe dir selbst die Erlaubnis, innezuhalten, die Stille zu genießen und das Leben einfach mal passieren zu lassen; egal, ob du dir Sorgen machst, oder nicht. Lass deine Gedanken einfach mal schweifen und gib deinem Gehirn eine Pause. Was bemerkst du? Wie verhält sich dein Körper? Wo wandern deine Gedanken hin?
Nochmal zu Erinnerung: Dein Körper ist dein Anker im Hier und Jetzt. Mit der 5-4-3-2-1-Übung unterstützen deine Sinne dich dabei, immer wieder in die Gegenwart zurückzukehren und deinen Geist zu beruhigen. Mit der Zeit wirst du so deine Panik durch etwas anderes ersetzen: Vertrauen. Denn so lange du Atem in deinen Lungen hast, bist du am Leben, im besten Falle gesund und kannst aktiv im Jetzt sein.
Und weißt du was? Du bist warst schon immer im Jetzt. Du musst nur lernen, es zu realisieren.